„Meine wahre Geschichte“, dieser Titel sagt bereits alles... oder doch nicht? Ob die Geschichte von Ludovic, der wieder mit Sara zusammenkommt, wirklich wahr ist, wissen wir nicht. Wir glauben es zu wissen, stellen aber am Ende fest, dass sich die Unsicherheit nach dem Applaus nicht ganz aufgelöst hat – und bleiben ob dieser Geschichte bzw. diesen Geschichten aufgewühlt zurück: den Geschichten des Verfassers und Regisseurs Ludovic Chazaud, der Realität und Fiktion genüsslich vermischt, Vergangenheit und Gegenwart ineinander verwebt und dabei auch unsere persönlichen Jugenderinnerungen neu aufleben lässt. Wie im Traum oder bei einer Erinnerung, bei der unser Blick auf vergangene Ereignisse die Realität transformiert.
Gleich zu Beginn des Theaterstücks lässt Chazaud die Zuschauer wissen, dass er über das Wiedersehen mit seiner Jugendfreundin Sara sprechen wird, in die er damals verliebt war. Dann nimmt er am Bühnenrand Platz und behält die Fortsetzung der Aufführung konstant im Auge, um seine Geschichte erneut zu erleben. Auf einer komplett weissen Bühne mit nüchterner Bühnengestaltung und untermalt von melancholischen Tönen des Gitarristen Cédric Simon versuchen Céline Nidegger und Mathias Glayre, die gemeinsame Vergangenheit von Ludovic und seiner Freundin Sara auferstehen zu lassen. Ihr Wiedersehen nach 18 Jahren fördert eine Geschichte von Mobbing an der Schule mit üblem Ausgang zutage. In dieser faszinierenden und verwirrenden Autofiktion vermischen sich Zärtlichkeit, Nostalgie und Grausamkeit.
Exakt diese Emotionen wecken auch frühere Inszenierungen Ludovic Chazaud, etwa Couvre-feux, eine Adaptation der Erzählung von Didier-Georges Gabily, kreiert im TPR in La Chaux-de-Fonds und aufgeführt u.a. anlässlich der Journées du Théâtre Suisse Contemporain 2015, oder Imaginer les lézards heureuxnach Stig Dagerman, entwickelt im Rahmen einer Mehrjahresförderung durch den Kanton Waadt und aufgeführt am La Grange de Dorigny in Lausanne. Der gebürtige Franzose Ludovic Chazaud absolvierte an der Manufacture in Lausanne eine Schauspielausbildung, lebt seit 2006 in der Schweiz und ist künstlerischer Leiter der 2009 von ihm gegründeten Compagnie Jeanne Föhn.
(Brigitte Romanens-Deville)