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Warum kann man im Theater so gut Witze über Arme machen? Weil sie sich die Karten eh nicht leisten können. Bitterböse zieht die Münchnerin Nora Abdel-Maksoud (*1983) in ihrer für das Zürcher Theater Neumarkt geschriebenen Satire „Café Populaire“ über die feine Abgrenzung nur scheinbar nicht mehr bestehender sozialer Unterscheidungen her.
Fast schon comicartig flach ist Moïra Gilliérons Bühne mit ihrer Klapptürenkomik, rasant die Dialoge und die simulierten Livestreams von hervorragender Peinlichkeit. Abdel-Maksouds Stück spielt in Blinden, das muss neben Dürrenmatts Güllen liegen. Svenja (Eva Bay) hält sich als Hospiz-Clown über Wasser, bis sie endlich den Aufstieg auf die richtigen Bühnen schafft – wenigstens die der „Goldenen Möwe“, des besten Hauses im Ort. Bis dahin bespasst sie die altlinke Püppi (ein herrlich trockener Simon Brusis). Zu ihrem Glück hat sie Aram, das „Dienstleistungsproletariat“ für alles (Maximilian Kraus): Er wird mit reichlich Trinkgeld bedacht, für das er lange rennen und blöd gucken muss – bis das Blatt sich wendet. Und da ist noch der Don, Svenjas böse Abspaltung oder der „libertäre Hampelmann“ (Marie Bonnet). Abdel-Maksoud gibt ihrer Inszenierung gleich mehrere doppelte Böden. Denn einfach ist hier auch inhaltlich nichts – wie in der wirklichen Welt, zur Kenntlichkeit entstellt: Wie steht es eigentlich um unsere – ja unsere! – Gesellschaft? Welche Rolle spielt Geld, spielt Klasse, spielen zweifelhafte Konstruktionen des sozialen Ichs?
Dem Theater Neumarkt und seinem Ensemble gelingt mit diesem Auftrag an die junge, vielversprechende Autorin und Regisseurin (nur mitspielen tut sie diesmal nicht) ein Coup mit Gehalt. Das Stück teilt lustvollst aus – und beweist dabei soviel theatrale und inhaltliche Treffsicherheit, dass man immer wieder ungemütlich getroffen wird. Denn auch die Unterschicht ist nicht mehr, was sie mal war. Aktuell einmischend, rasant und bitterböse: Kann eine Komödie mehr?
(Tobias Gerosa)
Text und Regie
Nora Abdel-Maksoud
Mit
Eva Bay, Marie Bonnet, Simon Brusis, Maximillian Kraus
Bühne und Kostüm
Moïra Gilliéron
Musik
Enik
Dramaturgie
Inge Schonlau
Produktion
Theater Neumarkt
Unterstützt durch
Landis & Gyr Stiftung
Premiere am 27. April 2018 im Theater Neumarkt, Zürich
Französische Übertitel (SUBTEXT: Juliane Regler)