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Das entzauberte Karussell oder der Rückzug ins Schneckenhaus
Sandra Amodio ist ausgebildete Marionettenspielerin. Diese Besonderheit kommt in "Alpenstock" brillant zum Ausdruck: ein diabolisches Kasperltheater, in dem charaktervolle Figuren in klischeehaften Situationen dem Rückzug ins sichere Schneckenhaus eine lange Nase drehen. Nach dem Drehbuch von Rémi de Vos wird das alpenländische Idyll von Fritz und Grete abrupt gestört, als der Ausländer Yosip die Bühne betritt. Das Karussell verliert zusehends seinen Zauber, Schauspieler werden wie Marionetten dirigiert, dann folgt ein Crescendo von stockend bis atemberaubend: Mit der Inszenierung ist Sandra Amodio ein Juwel an karikaturhaftem und skurrilem Humor gelungen.
Zu begrüssen ist an dieser Inszenierung auch das Talent der Bühnenbildnerin und langjährigen Mitarbeiterin von Anne Bisang, Anna Popek, die Themen auf virtuose Weise visuell umsetzt. Zwischen dem perfekt kalibrierten, von Grete immer in bester Ordnung gehaltenen Puppen-Chalet und der Drehkulisse, vor der die Figuren immer heftiger durcheinandergewirbelt werden, erzählt Anna Popek eine Geschichte von Wahn und Zusammenbruch. Damit liegt sie auf der gleichen Wellenlänge wie der Text von Rémi de Vos, der das Sicherheitsklischee ad absurdum führt und auf eine groteske, surrealistische Spitze treibt. Der Monolog ohne Bodenhaftung und Zusammenhang, in dem sich die Darsteller pseudo-bildungssprachlich über ihre pompöse und nebulöse Weltanschauung auslassen, ist ein Markenzeichen des belgischen Autors – eine augenzwinkernde Anspielung auf die Gecken und Rechthaber, die schon Molière aufs Korn nahm.
Die Präzisionsarbeit der Schauspieler macht "Alpenstock" zu einer gelungenen Farce. David Casada ist die perfekte Verkörperung des ausgeflippten Ehemanns in einer Mischung aus Angst und Machotum. Die Rolle der Grete, einer Korset tragenden Hausfrau wie aus den 1950er-Jahren, die sich nach Exotik und einer Prise Romantik sehnt, ist Rebecca Bonvin wie auf den Leib geschneidert. Roberto Molo, der "balkanisch-karpatisch-transsilvanische" Verführer vom Dienst, ist mit seiner Liebe zu Grete und der hartnäckigen Rückkehr ins Land der Lebenden der schönste Rebell.
Marie-Pierre Genecand
Mit
Rebecca Bonvin, David Casada et Roberto Molo
Bühne
Anna Popek
Licht
Claire Firmann
Kostüme
Aline Courvoisier
Maske
Johannita Mutter
Ton
David Perrenoud
Produktion
Le Collectif du Pif
Unterstützung
Ville de Genève - DIP, Loterie Romande, Pourcent culturel Migros, Fondation Ernst Göhner, Fonds Mécénat SIG, Fondation suisse des artistes interprètes