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„Ist euch jemals begegnet
Ein logisches Leben
Wieso also suchen den Faden
Ausgerechnet in meinem“
So tief man auch gräbt, für immer verdeckt bleibt die letzte Wahrheit über Verena Lehner, die Bauersfrau, die Mutter, die Kartenlegerin, die Altenpflegerin – die angebliche „Giftmörderin von Suhr“. Jedoch die poetisch-dokumentarische Suche, auf die sich das Theater Marie mit der Schweizer Autorin Ariane Koch begibt, kommt der Person Verena Lehner, oder dem, wofür sie aus heutiger Sicht stehen könnte, vielleicht näher als eine faktisch belegte Biografie.
Klar ist: geboren wurde sie „1862 Jahre nachdem Maria das Jesuskind herauspresste“. Geschwister hatte sie viele, Kinder noch mehr, und Geld ab einem gewissen Punkt zu viel für eine Frau ihres Standes. In einem spektakulären Prozess verurteilte man sie für zweifachen Mord mit Rattengift, sie bekam lebenslänglich. 14 Jahre Strafanstalt Lenzburg, anschliessend Verwahrung in der psychiatrischen Anstalt, wo sie dann 1945 starb. Beweise aber, dass sie wirklich eine Mörderin war, gab es keine und gibt es bis heute nicht. Verena Lehner jedenfalls beteuerte zeitlebens ihre Unschuld. Mit dem Arsen, das im Blut ihrer Pflegefälle nachgewiesen wurde, wollte sie nichts zu tun haben.
Die beiden Schauspielerinnen meistern den Hochseilakt, dieses schwere, aber historisch nicht untypische Schicksal aus moderner Sicht zu erzählen, zu performen, nachzufühlen und kritisch zu beäugen, so meisterhaft, dass trotz aller Schwere auch gelacht werden kann. Verena Lehner hat in der Sprache von Ariane Koch ihre ganz eigene Sicht auf die bäurischen, patriarchalen und dumpfen Verhältnisse, die sie umgeben. Sie scheint mehr zu sehen als die anderen um sie herum, und jeder möchte sich einmal von ihr die Karten legen lassen. Vielleicht hat sie am Ende ihren Mitmenschen zu tief in die Karten gesehen – verteidigt hat sie jedenfalls kaum jemand, als sie angeklagt wurde.
Das sparsam eingesetzte Theremin-Spiel des Musikers, sowie eine spielerische, aber bestechend einfache Bühnenlösung unterstützen das Skizzenhafte des Abends, der in seinen Feststellungen immer einen Schritt vor und zwei zurück zu machen scheint.
Besondere Erwähnung verdient die aus Not geborene Streaming-Variante des Abends. Mit grossem Gespür für den Wechsel von Bühne zu Screen verwandelten Team und Spielerinnen das Stück in eine lässige puristische Performance-Kurzversion für die Kamera. Lebendig, schnell und ohne zu viel zu wollen gelang eine Online-Vorstellung, die very entertaining war und sich von vielen Versuchen in diese Richtung geradezu erfrischend abhob.
Text
Ariane Koch, inspiriert von „Giftmord“ von Kurt Badertscher (2018) und „Die Wahrsagerin“ von Rösy von Känel (1930)
Regie
Olivier Keller
Mit
Nadine Schwitter, Sandra Utzinger, Daniel Steiner
Musik
Daniel Steiner
Kostüm
Myriam Casanova
Szenografie / Video
Andreas Bächli
Vermittlung
Rebecca Etter
Dramaturgie
Patric Bachmann
Podcast
Pascal Nater (Kanal K)
Produktion
Theater Marie
Koproduktion
Bühne Aarau, ThiK Theater im Kornhaus Baden
Partner & Kollaborationen 2025