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Versuch über das Sterben

Boris Nikitin

französisch

Schweizer Theaterpreis 2020

07.05—19h30

Dauer 55 Min. – Auf deutsch – Übertitel französisch

„Ich glaube, dass jeder Mensch, der etwas Unausgesprochenes vor anderen veröffentlicht, ein Coming-out vollzieht.“

Die Auszeichnung von Boris Nikitins Werk mit einem der Schweizer Theaterpreise 2020 ermöglicht es uns, seinen bereits 2019 entstandenen Abend „Versuch über das Sterben“ in die diesjährige Auswahl des Schweizer Theatertreffens aufzunehmen.

In seinem entwaffnend persönlichen Text beschreibt Boris Nikitin den Tod seines Vaters oder besser, wie er seinen Vater auf diesem letzten Weg begleitet hat. Er schreibt über die Gespräche, die sie geführt haben und über die Hilflosigkeit, die er empfand, als sein Vater an einem bestimmten Punkt seiner Erkrankung aussprach, dass er seinem Leben mit EXIT ein Ende setzen möchte.

Nikitin hat drei Jahre an diesem Stück geschrieben, entstanden ist eine schonungslose Beschäftigung mit sich selbst, an der er uns als Zuschauende teilnehmen lässt, und die uns aufgrund ihrer Intimität und Ehrlichkeit einlädt, wo nicht gar zwingt, genauso erbarmungslos auf uns selbst zu blicken. Dadurch wird das ganz Private gesellschaftlich und dieser Theaterabend politisch. So tief, selbstkritisch, analytisch, aber auch einfach und liebevoll dringt der Performer ein in sein intimes, individuelles Leben, dass er den Blick freigibt auf Fragen, denen wir üblicherweise ausweichen: Was sind wir, was vermögen wir angesichts des Todes? Ist die Aussprache des Wunsches seines Vaters, seinem Leben ein Ende zu setzen, ein Outing? Geht es vielleicht überhaupt darum, sich vor der Welt und sich selbst verletzlich zu machen, diese Verwundbarkeit gegenüber der Welt einzusetzen?

Nikitin schreibt darüber, was es für ihn als Performer bedeutet, sein Privatestes auf der Bühne zu benutzen. Vor seinem „Versuch über das Sterben“ hatte er durchaus mit den Biographien anderer Künstler*innen gearbeitet, jedoch nie explizit mit der eigenen. Er vergleicht diesen Akt der Selbstveröffentlichung mit dem (von ihm vor 20 Jahren vollzogenen) Akt, sich als schwuler Mann zu outen. Ist ein Outing vielleicht nicht nur ein Recht, sondern auch eine Pflicht, weil nur das Outing dem Gegenüber die Möglichkeit gibt zu sagen: „Genau so geht es mir auch“? In diesem Sinne stellt dieses Stück ein „Erstes Mal“ dar und hat die Kraft eines unmittelbaren Geständnisses, eines performativen Aktes, eines Outings auf der Bühne.

Anmeldung für die Aufführung vor Ort (limitierte Platzzahl) auf info@schweizertheatertreffen.ch

Live-Streaming keine Anmeldung erforderlich, FÜR ZUGANG ZUM LIVE-STREAM HIER KLICKEN.