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Swinger

(Nachgespräch nach der Vorstellung)

Manfred Ferrari

französisch

21.05.2022—20h09

Dauer 1h10 – Auf deutsch – Übertitel französisch

Nachgespräch im Anschluss an die Vorstellung mit zwei Paaren aus der Swingerszene, moderiert von Manfred Ferrari (Regisseur) und Julie Paucker (künstlerische Leiterin).
Danach Catering, Musik und Party im TAK Theater Liechtenstein.

«So hab’ ich dich zuvor nie gesehen … meine Brillengläser haben sich beschlagen – ungelogen.» Wenn eine so prosaische, aus dem Leben gegriffene Liebeserklärung eines Ehemannes an seine Frau im Publikum nicht nur Gelächter, sondern auch tiefe Rührung auslöst, dann hat es das dokumentarische Theater irgendwie geschafft. Dann springt einen die grosse Tragödie der Liebe, in all ihrer Lächerlichkeit, plötzlich aus dem Alltag an.

Es mag sein, dass das Phänomen der Swinger unserer herkömmlichen Vorstellung von Romantik und Treue diametral entgegensteht. Es mag auch sein, dass viele von uns Sexualität als den extremsten Bereich des Privaten und Intimen überhaupt ansehen: Schlafzimmertüre zu und nur wir zwei. Und es mag auch sein, dass einige von uns wirklich monogam sind. Wenn auch – so viel kann als Konsens betrachtet werden –, es sind weniger als es behaupten. Schätzungen zufolge jedenfalls leben rund eine Million Menschen europaweit ihre Sexualität mit verschiedenen Partner:innen gleichzeitig aus. Der Regisseur und Ko-Leiter der Postremise Chur Manfred Ferrari hat mit seinem Ensemble aus Spieler:innen, Tänzer:innen und Musiker:innen Swingerpaare aus der Schweiz und den umliegenden Ländern interviewt. Aus einer riesigen Materialfülle ist ein Stück entstanden, das vom prallen Leben zeugt, das ganz Gesprächsdokumentation aber auch ganz Theater ist. Musik, Glitzervorhang und Gesang, in Kombination mit doch sehr gewagten Kostümen, geben der Dokumentation den nötigen fiktionalen Drall, der sie zum szenischen Geschehen macht.

Das Befremden, das man bei gewissen Aussagen und detaillierten Beschreibungen der Erlebnisse im Swingerclub empfindet, führt erstaunlicherweise nicht dazu, dass man sich von den zitierten Personen distanziert. Viel mehr sucht man in ihren Aussagen nach einer Wahrheit über Liebe und Sexualität, über Glück und über Freiheit, die einem bisher vielleicht noch entgangen sein könnte. Denn nichts wollen wir lieber wissen, als wie das wirklich geht mit der Liebe und nichts entzieht sich konsequenter dieser letzten Erkenntnis. Die Offenheit und Schamfreiheit, die uns von den porträtierten Paaren manchmal geradezu platt entgegenkommt, ist für viele mindestens eines: etwas Neues. Und vom Neuen scheint ja auch die Swinger-Szene zu leben. Oder sagen wir es so, bei aller Unterschiedlichkeit der Herangehensweisen: Love is love.

 

Es freut uns besonders, dass ausgerechnet die Produktion der Postremise Chur, eines unserer diesjährigen Partnertheater, es aufgrund dieses bemerkenswerten Umgangs mit dokumentarischem Material in die SÉLECTION des Schweizer Theatertreffens geschafft hat!

(Julie Paucker, künstlerische Leiterin)

  • Besetzung

    Regie
    Manfred Ferrari

    Assistenz
    Iris Peng

    Mit
    Ivo Bärtsch, Miriam Japp, Riikka Läser, Nikolaus Schmid 

    Musik
    Daniel Sailer, Marco Schädler

    Kostüme
    Florian Holdener

    Licht
    Roger Stieger

    Produktion
    «ressort k», in Zusammenarbeit mit der Postremise Chur

  • Verbindungen