sélection
Dieses Stück hat einen anderen Atem, als man es sich in unserer kurzlebigen Welt gewohnt ist. Das hat mit dem Thema zu tun: Alt sein oder besser, alt werden. Altern. Langsamer werden. Vergesslicher. Durchsichtiger vielleicht. «Alcune cose da mettere in ordine» beschäftigt sich mit dem, was verschwindet, und mit dem, was bleibt. Mit dem, was wir trotz Gedächtnisverlust festzuhalten suchen – mit Hilfe von Ordnung, Sortierung, mit Hilfe von Ritualen. Die veränderte Zeitwahrnehmung, die das Stück als Teil des Alterns beschreibt, scheint es in seine Mechanik aufgenommen zu haben.
Auch spürt man dem Stück an, dass es das Resultat eines sehr langen Weges ist, den die Künstlerin Rubidori Manshaft und ihre Begleiterinnen zurückgelegt haben. Ein Weg, der durch zwei Jahre Covid zusätzlich in die Länge gezogen wurde, weil die für die Recherche so zentralen Begegnungen mit alten Menschen nicht möglich waren. Sie zwangen die Künstlerinnen in die Lektüre und in eine innere Beschäftigung mit dem Thema. Der Tod war in dieser Zeit, wir erinnern uns, omnipräsent. Vielleicht ist es auch das, was diese Arbeit so ehrlich macht: Dieser schonungslose Blick in den eigenen Abgrund, auf die eigene Endlichkeit. Die Hilflosigkeit, die wir in der Isolation empfunden haben. War sie nicht eine Vorahnung, wie es sich dereinst anfühlen könnte, wenn wir abgeschnitten sein werden von diesem reissenden Leben da draussen. Vielleicht sogar abgeschnitten von den Erinnerungen an unser eigenes Leben, weil es uns Stück für Stück entfällt.
«Alcune cose da mettere in ordine» ist die erste Eigenproduktion des FIT Festival, das jährlich in Lugano stattfindet. Im Rahmen des Projekts «Restez FIT!» wurde Rubidori Manshaft beauftragt, eine Recherche in Altersheimen zu machen, die später in ein Theaterprojekt münden sollte. Am Anfang der Beschäftigung standen intergenerationelle Tandems von jüngeren und älteren Menschen. Die Künstlerin organisierte zahllose Begegnungen in Gruppen und mit einzelnen, alten Menschen, interviewte sie, filmte, zeichnete auf. Sie formte deren Hände in Gips nach. Ein Teil dieses Materials floss in den installativen Teil des Abends ein, ein weiterer wurde transformiert und (gemeinsam mit der Autorin Angela Dematté) in den Theatertext eingearbeitet, der eigene Reflexionen, literarische Zitate und dokumentarische Elemente enthält.
Fürs Schweizer Theatertreffen erarbeitet Rubidori Manshaft mit der wunderbaren italienischen Schauspielerin Roberta Bosetti eine installative, tourfähige Version des Abends. Diese wird zum ersten Mal in mehreren Räumen eines alten Gebäudes in Bellinzona gezeigt. Es handelt sich also um eine Art Premiere – man darf gespannt sein!
Julie Paucker
Rubidori Manshaft (mit diesem Namen versieht sie ihre theatralen Schöpfungen) ist das Pseudonym für Dori Puddu, den Namen, den die Künstlerin als Szenografin verwendet. Schon immer bewegte sich ihr Werk zwischen den Genres der darstellenden und der visuellen Künste: sie arbeitete im Filmbereich, entwarf installative Konzepte und Kunstobjekte, kollaborierte mit Architekten und war als Bühnenbildnerin tätig. Seit 2012 erarbeitete sie in der Schweiz diverse Projekte mit Officina Orsi in Lugano, welches sich auf installative und partizipative Projekte spezialisiert hat.
Die italienische Schauspielerin Roberta Bosetti begann ihre Laufbahn am Piccolo Teatro in Milano bei Giorgio Strehler, wanderte später nach Australien aus, gründete ihre eigene Compagnie und unterrichtet Schauspiel in Bologna und Turin. Als Schauspielerin erhielt sie zahllose Auszeichnungen in Australien und in Italien.
Mit
Roberta Bosetti, Giacomo Toccaceli
Konzept und Inszenierung
Rubidori Manshaft
Dramaturgie
Roberta Dori Puddu e Angela Dematté
Projektassistentin
Katia Gandolfi
Regieassistentin
Ugo Fiore
Montage Kurzfilm und Video
Fabio Bilardo
Videodreh (La Residenza - Malnate)
Fabio Cinicola
Bühne und Kostüme
Roberta Dori Puddu
Licht
Elena Vastano
Soundprojekt
Federica Furlani
Mitarbeit und Unterstützung Video
Mitbewohner:in der Casa di cura Centro Polis LIS
Produktion
FIT Festival Internazionale del Teatro e della scena contemporanea, Officina Orsi (Lugano)
Internationale Koproduktion
Olinda/TeatroLaCucina (Milano
Kollaborationen
Fondazione Parco San Rocco, (Morbio Inferiore), Centro Polis LIS (Lugano Istituti Sociali), Fondazione La Residenza (Malnate), Zona K (Milano), Teatro Giuditta Pasta (Saronno)
Residenz
Zona K (Milano), Olinda/TeatroLaCucina (Milano)
Unterstützung
Bundesamt für Kultur, Beisheim Stiftung, Fondation Philantropique Famille Sandoz, Paul Schiller Stiftung, Ernst Göhner Stiftung