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Sturm

Schauspiel nach Motiven aus William Shakespeares «Der Sturm»

Michel Schröder / eine Koproduktion des Theater St.Gallen mit dem Komiktheater der GHG Sonnenhalde Tandem

Fr 24.05. — 20:00 — Teatro Sociale, Bellinzona

Dauer 90’ – OHNE PAUSE – Auf deutsch – Übertitel französisch, Italienisch

Spielen – fast hat man vergessen, was das eigentlich meint: ohne expliziten Nutzen im Moment sein, offen für die Fantasie des Gegenübers. Spielen ist die Kunst, sich fröhlich und doch mit grossem Ernst einzulassen, ohne zu wissen, was passiert. Im Theater könnte Spielen auch noch heissen: über die Premiere hinaus auf der Bühne kreativ zu bleiben.

Wenn man das gemischte Ensemble des Sankt Galler Theaters und des Komiktheater (dem einzigen professionellen Theater von und mit Menschen mit Beeinträchtigung in der Ostschweiz) erlebt, wird man auf befreiende Weise wieder an diese ursprüngliche Form des Spielens erinnert.

Das inszenierte, nur bis zu einem gewissen Grad organisierte Chaos auf der Bühne hat viel mit einem Sturm zu tun, auch viel mit Shakespeare, aber wenig mit der gehorsamen Umsetzung eines Plots. Die Insel, auf der das Stück spielt, ist bereits bei Shakespeare eine Welt, die eigenen Gesetzen folgt, denen des frustrierten, alten Königs Prospero. Auch diese Inszenierung dominiert zu Beginn der König, er darf sogar auf einem Thron sitzen. Aber schon bald stellt sich die Frage, ob irgendjemand auf diesen König hört. Bemerken es seine Untertanen überhaupt, wenn er autoritär mit den Flügeln schlägt? Stört es wen, wenn er unterdrückt und versucht, Ordnung und Disziplin durchzusetzen? Es ist unklar, denn sein(e) Ariel trägt Kopfhörer, damit sie sich aufs Wesentliche konzentrieren kann, seine Tochter Miranda hat das Alter der Folgsamkeit sowieso überschritten und lebt auf einem anderen Stern, Caliban umkreist Insel und Herrscher als freies Radikal. Die Fremden, von einem Sturm auf die Insel geworfen, werden von den Einheimischen empfangen, wie die lang ersehnte Erlösung aus einem zahnlosen Rest-Patriarchat, das sich längst selbst überlebt hat. Die Abschaffung des Alten scheint leicht und mit der Ankunft der Neuen bricht sich etwas Bahn, das gar nichts Neues, sondern tatsächlich nur Befreites ist.

Und dieses scheint nun auf alles überzugreifen, auf die Musik, die Bühne, den Text und auf das Spiel. Auf alle damit verbundenen (Theater-)Konventionen. Phänomenal aus dem Ruder laufend spielt alles unkoordiniert und doch zusammen. Es wird auf allerlei Instrumenten musiziert, Requisiten werden sandkastenartig zusammengebaut und dekonstruiert. Kostüme werden zu Verkleidungen, was sie immer schon waren, aber nicht mehr sein durften, politische Implikationen poppen auf und verschwinden wieder, bitterernst und doch sehr heiter. Was an Regeln bestand, ist jedenfalls dahin, und auch wenn Prospero zur Strafe für seinen weissen, normativen, patriarchalen Machtanspruch ein paarmal die Hosen runterlassen und den Kopf ins Klo halten muss, irgendwie scheint es auch ihm am Ende besser zu gehen. Denn alles hat seine Zeit im Leben: das Lieben, das Hassen, das Essen und Sterben. Und alles hat seine Zeit in der Gesellschaft: das Patriarchat, die Unterdrückung, die Ungleichheit und die Segregation. Aber dann folgt eine andere Zeit.

Julie Paucker

 

Das 2017 von der GHG Sonnenhalde St.Gallen gegründete Komiktheater ist das erste professionelle Theater für Menschen mit einer geistigen, physischen oder Sinnesbeeinträchtigung in der Ostschweiz. Es ermöglicht talentierten Schauspieler:innen mit Unterstützungsbedarf, ihre Leidenschaft zum Beruf zu machen. Regisseur Michel Schröder arbeitet seit vielen Jahren mit seiner Theatergruppe kraut_produktion in der Freien Szene. Seit 2010 ist er Co-Leiter des Fabriktheaters Rote Fabrik in Zürich. Mit seinem Team und seinen Mitspieler:innen lotet er die Freiräume des Theaters aus. Eine Qualität, die in der Begegnung mit dem Komiktheater und dem Ensemble des Theaters St. Gallen wunderbare Blüten treibt.

  • Besetzung

    Mit

    Tabea Buser, Christian Hettkamp Joy Käser, Florian Nef, Silas Obertüfer, Pascale Pfeuti, Cornelia Rach, Joanna Rohner

    Inszenierung

    Michel Schröder

    Bühne

    Damian Hitz


    Kostüm

    Iva Ivanova

    Live-Musik

    Nico Feer

    Video

    Georg Lendorff


    Licht

    Marek Lamprecht

    Dramaturgie

    Laura Friedrich

    Theateragogische Begleitung

    Tim Kalhammer, Sonja Suter

    Regieassistenz/Abendspielleitung

    Sina Wider

    Koproduktion

    Komiktheater der GHG Sonnenhalde Tandem

  • Verbindungen

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