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Ob die Gründung des Collettivo Treppenwitz im März 2018 ein Wendepunkt in der Geschichte des freien Theaters der italienischen Schweiz darstellt, wird die Zukunft zeigen. Auf alle Fälle sind die Voraussetzungen gegeben, damit es sich zu einer der innovativsten und ehrgeizigsten Tessiner Formationen mit spannenden Entwicklungsperspektiven entfalten kann. Sieben junge Künstler*innen aus drei Kollektiven haben sich zu Treppenwitz zusammengeschlossen: So unterschiedlich ihre individuellen Bildungswege und beruflichen Hintergründe auch sind, können sie alle wichtige Bühnenerfahrungen vorweisen (Anahì Traversi z.B. wurde 2015 mit La Extravagancia #0 zum Schweizer Theatertreffen eingeladen).
Das programmatische Kennzeichen seiner Arbeit sieht das Kollektiv Treppenwitz im antithetischen Umgang mit einigen Gepflogenheiten der freien Theaterszene im Tessin liegen. Bereits die Idee, verschiedene künstlerische Praktiken zu vereinen, um in einem üblicherweise eher fragmentierten beruflichen Kontext die besten Arbeitsbedingungen für alle zu schaffen, macht den Traditionsbruch deutlich sichtbar. Mit dem Ziel, regionale Grenzen zu sprengen, werden ausserdem neue Strategien sowohl für den Vertrieb als auch für die Konzeption von Stücken erarbeitet. L’amore ist nicht une chose for everybody (Loving Kills) bringt die innovative Herangehensweise bezeichnend (und bereits im Titel) zum Ausdruck. Die Produktion, welche von der Vermischung von Sprachen und künstlerischen Ausdrucksweisen (vom Tanz und Sprechtheater bis hin zum Video und zur Performancekunst) geprägt ist, hat ihre Stärke in einer Ästhetik, die kulturelle Grenzen überwindet, um sich als authentisch global zu präsentieren. Es mag zwar eine flüssige Ästhetik sein, aber sie ist sicherlich aktuell.
Mitreissend und fesselnd in ihrer jugendlichen Frische und konzipiert, um die Fähigkeiten einer Gruppe eingespielter Darsteller*innen von beachtlichem Niveau zur Geltung zu bringen, spielt die Handlung am Gate eines Flughafens. Es ist ein Schauplatz ohne jegliche kulturellen Bezüge und daher genuiner Ausdruck jener globalisierten Gesellschaft, die überall zu finden und überall verloren ist. In diesem Niemandsland, in dem das Leben in der Schwebe ist, bleibt das Bedürfnis nach Liebe unausweichlich. Und über diese Liebe diskutieren und streiten sich die Reisenden, die auf ihren Flug warten. Die Darsteller*innen begeben sich auf einen Trip, auf dem sie sich ihre eigenen Erfahrungen ins Gedächtnis rufen und einander zur Rolle der Liebe in ihren Leben befragen. Daraus ergibt sich ein zersplittertes Bild, so zersplittert wie die Generation der Dreissigjährigen, das es zum Ausdruck bringt. Wenn sich heute alles um das Konzept der individuellen Freiheit dreht, kann die Liebe im Sinne einer Beziehung, die sich erst im Laufe der Zeit entwickelt, nicht mehr existieren. Es gibt nur noch das «Ich», und die Liebe ist lediglich dazu da, um ergriffen, verzehrt und weggeworfen zu werden.
Wie soll man aber mit der Verwundbarkeit des Individuums und der Desorientierung einer ganzen Generation klarkommen? Um sie zu überwinden – so scheinen es die Darsteller*innen des Colletivo Treppenwitz zu suggerieren – gibt es nur eine Lösung: «Vivere», wie Vasco Rossi singt. Gründlich leben.
Gianfranco Helbling
Regie
Simon Waldvogel
Text
Thomas Couppey, Simon Waldvogel
Regieassistenz
Federica Carra
Mit
Thomas Couppey, Aurelio Di Virgilio, Camilla Parini, Anahì Traversi, Carla Valente, Simon Waldvogel
Licht
Matteo Crespi
Bühne
Giulia Breno
Künstlerische Supervision
Carmelo Rifici
Dramaturgische Supervision
Yves Regenass
Supervision Video
Pietro Zara
Produktion
Collettivo Treppenwitz
Mit Unterstützung von
Pro Helvetia - Fondazione svizzera per la cultura, Repubblica e Cantone Ticino DECS - Swisslos, Città di Lugano, SIS Schweizerische Interpretenstiftung, Jürg George Bürki - Stifftung
In Zusammenarbeit mit
LuganoInScena, Teatro Foce Rassegna HOME, Campo Teatrale Milano