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Dr Churz, dr Schlungg und dr Böös

(Nachgespräch mit der Regisseurin und den Performern)

Johanna Heusser

20.05.2022—21h15

Dauer 1h05

Im Anschluss an die Vorstellung findet ein Nachgespräch mit der Regisseurin Johanna Heusser und den Performern statt, modereriert von Julie Paucker (künstlerische Leiterin). 
Danach Party mit Musik und Bar.

Zwei Männer in einer Arena, das Publikum rund herum. Spannung, Konzentration und Kampfbereitschaft, aber keine Feindseligkeit. Es wird geübt, Männer bei der Arbeit. Wir schauen zu, riechen den Schweiss, lauschen dem Ächzen, bekommen Durst und fragen uns, wo der Ernst anfängt, und wo der Spass aufhört. Freundschaft, Fairness und Loyalität, Schwanzvergleich und Aggression, gepaart mit Bewunderung und Verletzlichkeit. Die manchmal zu grosse Nähe in der Umschlingung löst Unbehagen und Peinlichkeit aus. Oder eröffnet sich an dieser Stelle einfach die Möglichkeit einer anderen Art der Beziehung und Körperlichkeit?

Ein Stück wie gemacht fürs Schweizer Theatertreffen: Weil es einen urschweizerischen Brauch – um nicht zu sagen Nationalsport – behandelt, aber doch ganz Theater ist. Der Hoselupf als Pas de deux, darauf muss man erstmal kommen. Überhaupt geht Theater im Moment gerne über seine Grenzen hinaus: über die zwischen Sprech-, Bewegungs- und Tanztheater einerseits und über die der sprachlich-textlichen Genres andererseits. Das Dokumentarische verschmilzt mit dem Fiktionalen und der klassische Text mit aktueller, bisweilen spontan wirkender Sprache.

Das gilt auch für die Arbeit der jungen Basler Tänzerin und Choreografin Johanna Heusser, deren Arbeiten sich an der Schnittstelle von Tanz und Theater bewegen. Mit diesem Abend nähert sie sich einem Feld an, dem sie erst einmal fremd und skeptisch gegenüberstand. Einer Sportart, die extrem maskulin-patriarchale Bewegungsabläufe feiert, dazu noch patriotisch. Obwohl dies alles herzlich wenig mit der Weltsicht und dem Rollenverständnis der Künstlerin zu tun hat, scheint hier eine Annäherung stattgefunden zu haben. Denn was man an dem Abend zu sehen bekommt, macht ziemlich viel Spass und ist mehr als blosse Kritik.

Als Zuschauer:in denkt man sich vieles in das ringende und schwingende Paar hinein. Sicher haben sich die Beziehungsarten zwischen Männern seit der Erfindung des Hoselupfs verändert, möglicherweise sogar befreit. Oder ist es vielleicht so – und hier wird man zumindest als Laie in Sachen Swiss Wrestling zunehmend verunsichert –, dass in der Anlage dieser merkwürdigsten aller Sportarten schon «das Andere» mit drinsteckt?

Was an all dem neben dem Universellen eigentlich das Schweizerische ist, dürfen Sie selbst entdecken und nach der Vorstellung mit den Performer:innen diskutieren. Und wer am Ende dieses Tanztheaters – oder ist es doch eine Sportveranstaltung? – kein Sägemehl an der Hose oder am Rocksaum hat, hat definitiv etwas falsch gemacht.

(Julie Paucker, künstlerische Leitung)

  • Besetzung

    Konzept und Choreographie
    Johanna Sofia Heusser

    Performer
    Dennis Freischlad, David Speiser

    Dramaturgie
    Fiona Schreier

    Dramaturgische Begleitung
    Katharina Germo

    Bühne, Licht und Ton
    Marc Vilanova

    Licht und Video
    Robert Meyer

    Kostüm
    Diana Ammann

    Oeil Exterieur
    Selina Beghetto, Stephan Stock

    Coaching Schwingen
    Stefan Aebi                                                        

    Produktionsleitung
    Catalina Schriber

    Mentorat
    Regine Schaub Fritschi

    Kulturhistoriker
    Linus Schöpfer

    Produktion
    Verein Landholz

    Koproduktion
    ROXY Birsfelden, Hochschule der Künste Bern - HKB

    PREMIO – Nachwuchspreis für Theater und Tanz - Halbfinalistin 2021

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