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Irgendetwas wissen die – obwohl sie als moderne Bühnen-Menschen auch die Oberfläche lieben – über Abgründe. Darüber, dass da kein fester Grund ist unter ihren Füssen und unter diesen Brettern, die die Welt bedeuten. Sie wissen etwas über Einsamkeit, über das Verdammtsein zum Erfolg, über den Kampf um ein bisschen Rampenlicht. Gerade weil sie das Schnelle, das Lustige, den Pop und das Direkte virtuos beherrschen, wissen sie auch, was es kostet, den Ernst und das «echte Gefühl» zu verweigern. Im Leben wie auf der Bühne.
Tschechow wusste es auch. In diesem Sinne war die Begegnung von Christopher Rüping und seinen Spieler:innen mit diesem Stück, das im Kern ein Metastück über Theater ist, nur eine Frage der Zeit. Sie scheint zwingend. Niemand verkörpert und führt das zeitgenössische Theater so hinreissend vor wie Maja Beckmann – das Fleisch gewordene, moderne Abbild der von Tschechow geschriebenen, exzentrischen Theaterdiva und Dichtermutter Arkadina. Gnadenlos zerquetscht von ihr und anderen ihrer Generation wird Kostja, auch das steht so geschrieben, Benjamin Lillie scheint dafür geboren. Und niemand morpht sich so übergangslos vom Bühnenkantengnom zur Märchenprinzessin, zur Influencerin und wieder zurück, wie Wiebke Mollenhauer. Die Spieler:innen (meistens) oben auf der Bühne, die Figuren, die sie mal mehr, mal weniger theatral verkörpern, die Menschen unten im Saal: Das ist alles irgendwie eins und alles irgendwie am Ende eine grosse Tschechow‘sche Wunde.
Wie kaum jemand zur Zeit schaffen es Christopher Rüping, sein Team und seine wunderbaren Schauspieler:innen, das Theater in dem grossen, suchenden Straucheln, das es im Moment ausmacht, so lange auf’s Glatteis zu führen, bis es – aus Notwehr quasi – wieder sein Haupt erhebt und zeigt, was es trotz allem immer noch kann: Drama, grosses Gefühl und Poesie.
Julie Paucker
Der 1985 in Hannover geborene Regisseur Christopher Rüping ist aktuell einer der erfolgreichsten Regisseure des deutschsprachigen Raums. Er arbeitet seit vielen Jahren mit dem gleichen Team und dem gleichen Kreis von Spieler:innen zusammen. Ihre Arbeit wurde mehrfach ausgezeichnet und ist an Festivals auf der ganzen Welt zu Gast. In den letzten Jahren gehörte Christopher Rüping zu der Gruppe von Hausregisseur:innen, die das Programm des Zürcher Schauspielhauses gestalteten.
Von
Anton Tschechow (in einer Übersetzung von Thomas Brasch)
Mit
Ann Ayano, Maja Beckmann, Moses Leo, Benjamin Lillie, Wiebke Mollenhauer, Lena Schwarz, Steven Sowah
Inszenierung
Christopher Rüping
Bühnenbild
Jonathan Mertz
Kostümbild
Tutia Schaad
Dramaturgie
Moritz Frischkorn
Mitarbeit Dramaturgie
Lisa-Maria Liner
Audience Development
Mathis Neuhaus
Touring & International Relations
Sonja Hildebrandt
Künstlerische Vermittlung T&S
Zora Maag
Produktionsassistenz
Dominic Schibli
Bühnenbildassistenz
Karl Dietrich
Kostümbildassistenz
Renée Kraemer
Produktionshospitanz
Anna Vankova
Hospitanz Kostümbild
Selma Jamal Aldin
Mitarbeit Dramaturgie
Lisa-Maria Liner
Inspizienz
Dayen Tuskan
Soufflage
Ursula Hildebrand, Katja Weppler, Gerlinde Uhlig-Vanet
Produktion
Schauspielhaus, Zürich